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Branche 10. Mai 2022

Die Industriezukunft braucht klimaneutrale Prozesswärme

Nicht nur private Haushalte, sondern vor allem Industriebetriebe haben einen hohen Wärmebedarf.
Das Impulspapier von In4climate NRW zeigt Wege auf, wie die Industrie unabhängiger von fossilen Prozesswärmequellen werden kann.
Das Impulspapier von In4climate NRW zeigt Wege auf, wie die Industrie unabhängiger von fossilen Prozesswärmequellen werden kann.

Nicht nur private Haushalte, sondern vor allem Industriebetriebe haben einen hohen Wärmebedarf.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss die Versorgung der Industrie mit Prozesswärme stärker in den Fokus rücken, vor allem im Industrieland Nordrhein-Westfalen. Das zeigt ein jüngst veröffentlichtes Impulspapier des Klimaschutz-Thinktanks In4climate NRW.

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Prozesswärme macht 67 % des Energieverbrauchs der deutschen Industrie aus. Das sind fast ein Fünftel des gesamten deutschlandweiten Energiebedarfs. Kein Wunder: Egal ob Glas, Metall, Zement oder Papier geschmolzen, geschmiedet, gebrannt oder getrocknet werden – all diese Verfahren benötigen Prozesswärme. Und das teilweise bis zu einer Temperatur von 3.000 °C. In4climate NRW formuliert in seinem Impulspapier „Prozesswärme für eine klimaneutrale Industrie“ Ansätze und Handlungsempfehlungen für eine Prozesswärmewende. Insgesamt dreizehn Partner der Initiative haben das Papier mitgezeichnet, darunter hochrangige Forschungseinrichtungen und Industriefirmen.

Nachhaltige Prozesswärmebereitstellung ein wichtiger Ansatz für Transformation der Industrie

<em>Prozesswärme machte 2020 einen Großteil des industriellen Energiebedarfes aus und wird heute noch überwiegend aus fossilen Energieträgern gedeckt.
<em>Prozesswärme machte 2020 einen Großteil des industriellen Energiebedarfes aus und wird heute noch überwiegend aus fossilen Energieträgern gedeckt.

Samir Khayat, Geschäftsführer von NRW Energy4Climate sagt: „Die Umstellung auf eine nachhaltige Prozesswärmebereitstellung ist einer der entscheidenden Hebel, damit die Transformation der Industrie gelingen kann. Mit der Initiative In4climate NRW bringen wir die Kompetenzen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft an einen Tisch und entwickeln konkrete Strategien, um Klimaneutralität in der Industrie in die Praxis umzusetzen.“

Verschiedene Zahlen verdeutlichen den notwendigen Handlungsbedarf: Nur 6 % des Energiebedarfs für Prozesswärme werden bislang durch Erneuerbare Energien gedeckt. Auch Strom macht derzeit nur einen Anteil von 8 % aus – als Energiequelle ist er im heutigen Strommix noch längst nicht emissionsfrei, muss es aber durch die Umstellung auf 100 % Erneuerbare perspektivisch werden.

Tania Begemann, Projektmanagerin Industrie und Produktion bei NRW Energy4Climate und Autorin des Papiers, führt aus: „Schätzungsweise 40 % des Prozesswärmebedarfs von ganz Deutschland benötigt allein NRW. Um langfristig wirtschaftsstark und Industrieland zu bleiben, ist es für NRW daher von ganz besonderer Bedeutung, zeitnah unabhängig von fossilen Prozesswärmequellen zu werden. Darauf möchten wir mit dem Papier aufmerksam machen. Gleichzeitig bietet sich mit dieser enormen Herausforderung für NRW auch die Chance, Vorreiter zu werden.“

Wie gelingt die Unabhängigkeit von fossilen Prozesswärmequellen?

Das Impulspapier zeigt zentrale Ansätze und Handlungsempfehlungen auf, wie die Industrie unabhängiger von fossilen Prozesswärmequellen werden kann:

  • Effizienz steigern: Die Entwicklung und der Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen sollte im Rahmen von Pilotanlagen und -konzepten gezielt gefördert werden. Zudem sollten Unternehmen bei der Erstellung und Umsetzung von Konzepten unterstützt werden, die Prozesstemperaturen minimieren und innerbetrieblich Abwärme nutzen.
  • Erneuerbare Wärmequellen fördern: Lokale, erneuerbare Energiequellen wie Tiefengeothermie und Solarthermie können ein wichtiger Baustein zur klimaneutralen Prozesswärmeversorgung sein und gleichzeitig die Abhängigkeit von Energieimporten reduzieren. Dort, wo Erneuerbare industrielle Wärmebedarfe decken können, sollten sie auch genutzt werden. diese Energieformen sollten deswegen durch Erkundungen und Ausschreibungen gezielt unterstützen werden.
  • Erneuerbaren Strom erhöhen: Die Elektrifizierung von Prozessen und Anwendungen ist die Voraussetzung für die Energiewende. Die erneuerbare Stromerzeugung mitsamt einem soliden Stromnetz auszubauen, wettbewerbsfähige Preise für grünen Strom zu schaffen und flexible Systeme zu entwickeln, sind somit zentrale Aufgaben.
  • Speicherbare alternative Energieträger forcieren: Um Prozesswärme auch dann erzeugen zu können, wenn Erneuerbare Energien nicht zur Verfügung stehen, benötigt die Industrie große Mengen an speicherbaren Energieträgern. Insbesondere nachhaltiger Wasserstoff muss zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein und die dafür nötigen Voraussetzungen wie zum Beispiel eine Transport- und Speicherinfrastruktur geschaffen werden. Neben Wasserstoff ist Biomasse ein wertvoller und speicherbarer Energieträger und zugleich Rohstoff. Diese limitierte Ressource gilt es daher gezielt und effizient einzusetzen.

Prozesswärme klimaneutral zu erzeugen ist für ganz Deutschland, aber besonders für das Industrieland NRW von hoher Bedeutung und gleichzeitig eine große Herausforderung. Die Wärmewende der Industrie erfordert eine gesamtsystemische und überregionale Betrachtung und Strategieentwicklung. Einerseits sollten solche Strategien das Zusammenspiel verschiedener Sektoren berücksichtigen. Andererseits sollten sie alle Wärmebedarfe – von Gebäuden bis zur Industrie – mit einbeziehen.

Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft finden in dem Impulspapier erste Anhaltspunkte und Impulse für diese wichtige, gemeinsame Aufgabe.

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