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Anwendungen 26. März 2020

Großanlagenbau behauptet sich in schwierigem Umfeld

Die Auftragseingänge im Großanlagenbau in Deutschland lagen 2019 mit 18,3 Milliarden Euro stabil auf Vorjahresniveau. Damit konnten sich die Unternehmen in einem volatilen Marktumfeld, das von starkem Preis- und Wettbewerbsdruck sowie vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt war, gut behaupten.

Die Auftragseingänge im Großanlagenbau in Deutschland lagen 2019 mit 18,3 Milliarden Euro stabil auf Vorjahresniveau. Damit konnten sich die Unternehmen in einem volatilen Marktumfeld, das von starkem Preis- und Wettbewerbsdruck sowie vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägt war, gut behaupten.

Besonders erfreulich war, dass die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) 2019 deutlich mehr Großaufträge als noch im Vorjahr verbuchen konnten. Bei diesen zumeist schlüsselfertigen EPC-Projekten spielen neben der Planung immer häufiger auch Bau, Betrieb und Wartung der Anlagen eine wichtige Rolle. „Der VDMA-Großanlagenbau unterstreicht mit der Bereitstellung solcher umfassender Leistungspakete seine führende Position als Anbieter von Komplettlösungen über den gesamten Anlagenlebenszyklus hinweg“, ordnete Jürgen Nowicki, Sprecher der AGAB und Senior Vice President & CFO von Linde Engineering, die Entwicklung des vergangenen Jahres ein.

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USA waren wichtigster Exportmarkt

Die Bedeutung des Auslandsgeschäfts im Großanlagenbau bleibt hoch. 2019 lag die Exportquote wie im Vorjahr bei 81 Prozent, das Auftragsniveau erreichte einen Wert von 14,7 Milliarden Euro (2018: 14,8 Milliarden Euro). Die USA waren aufgrund mehrerer Großaufträge für metallurgische Anlagen der wichtigste Auslandsmarkt für den VDMA-Großanlagenbau (1,5 Milliarden Euro). Darüber hinaus wurden Buchungen im Wert von mindestens 1 Milliarde Euro aus Russland, China und Singapur gemeldet. Aufträge für bedeutende Großprojekte wie etwa ein Pumpspeicherkraftwerk, eine Papierfabrik und ein großes Gaskraftwerk gingen darüber hinaus aus Australien, Schweden und Brasilien ein. Die Nachfrage nach Großanlagen im Nahen und Mittleren Osten sank hingegen auf den niedrigsten Wert seit 17 Jahren.

Steigende Nachfrage nach Kraftwerkstechnik im Inland

Die inländischen Bestellungen legten 2019 um 2 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro (2018: 3,5 Milliarden Euro) zu. Bemerkenswert war die Entwicklung im Markt für thermische Kraftwerke, hier stiegen die Auftragseingänge um 83 Prozent auf 1,0 Milliarden Euro (2018: 547 Millionen Euro). Allerdings spielten Großaufträge keine wesentliche Rolle, vielmehr standen Modernisierungsprojekte sowie Services im Blickpunkt. Nowicki: „Dass sich dieser Aufschwung in den nächsten Jahren fortsetzen könnte, ist angesichts des absehbaren Endes der Kernenergie und der Kohleverstromung in Deutschland unwahrscheinlich.“

Politik muss Anteil deckungsfähiger lokaler Kosten erhöhen

Die Unternehmen des VDMA-Großanlagenbaus brauchen mehr denn je einen fairen politischen Rahmen – national wie international – der mit den tiefgreifenden Veränderungen im globalen Projektgeschäft Schritt hält. „Wir appellieren deshalb an die OECD-Mitglieder, den derzeitig deckungsfähigen Anteil an lokalen Kosten rasch auf 50 Prozent des Gesamtumfangs eines Exportauftrags zu erhöhen“, betont der AGAB-Sprecher. Die deutsche Politik sollte auch die steuerpolitischen Rahmenbedingungen den veränderten Realitäten anpassen und deshalb vor allem das Risiko der Doppelbesteuerung weiter reduzieren.

Die Kundenwünsche im Großanlagenbau werden vielschichtiger. Neben den klassischen Erwartungen nach hoher Produktqualität, kurzen Projektlaufzeiten und niedrigen Investitionskosten artikulieren viele Investoren ihr Bedürfnis nach hoher Transparenz während des gesamten Lebenszyklus einer Anlage immer deutlicher. Zahlreiche Kunden wünschen sich ferner Unterstützung bei der Finanzierung von Projekten, beim Service ihrer Anlagen und bei deren Betrieb.

Die Verantwortlichkeit des Anlagenbaus für Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter sowie den Umweltschutz gewinnt in Folge steigender Kundenansprüche ebenfalls an Bedeutung. Die Implementierung von Managementsystemen, mit denen die Unfallentwicklung beschrieben wird, sind oftmals Voraussetzung, um an einer Ausschreibung im Großanlagenbau überhaupt teilnehmen zu können. „Der VDMA und seine Mitgliedsunternehmen begreifen die kontinuierliche Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes als wichtige unternehmerische und soziale Aufgaben und haben bereits umfassende Kompetenzen auf diesem Feld aufgebaut“, erläutert Nowicki.

Wegbereiter einer nachhaltigen Industrieproduktion

Die Pläne vieler Staaten, den Klimawandel einzudämmen und dafür Technologien zur Einsparung von Energie und Treibhausgasen zu nutzen, werden konkreter. Dem VDMA-Großanlagenbau eröffnen diese Bemühungen die Chance, neue Angebote am Markt zu platzieren. Nowicki: „Die Branche ist mit ihrer umwelttechnischen Kompetenz ein Wegbereiter der Energiewende und ein zentraler Partner der Industrie bei der Erreichung globaler Klimaziele.“ Beispiele für die Leistungsfähigkeit des VDMA-Großanlagenbaus sind Anlagen für eine CO2-freie Energieerzeugung, Verfahren zum Recycling von Metallen oder Kunststoffen sowie Systeme zur Vermeidung von Emissionen.

Darüber hinaus liefert der Großanlagenbau Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff, der in der Energiewirtschaft der Zukunft als Stromspeicher und Energieträger eine zentrale Rolle spielen könnte. „Als Voraussetzung für die Etablierung eines solchen nachhaltigen Systems muss die Politik jedoch rasch verlässliche Rahmenbedingungen – etwa für den weiteren Ausbau der Windkraft – schaffen, auf Basis derer die Unternehmen wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln können“, mahnt der AGAB-Sprecher zügiges Handeln an. Denn ohne die Nutzung erneuerbarer Energien kann kein Sektor entscheidende Beiträge zum Klimaschutz erbringen: „Grüner“ Wasserstoff und der Ausbau der regenerativen Energien bedingen sich gegenseitig.

Hohe Unsicherheiten aufgrund der Corona-Pandemie und fallendem Ölpreis

Die grassierende Corona-Pandemie und der kollabierende Ölpreis führen derzeit zu extremen Unsicherheiten auf den Märkten des Großanlagenbaus. Die kurz- bis mittelfristigen Aussichten für den Industriezweig lassen sich daher nicht seriös prognostizieren. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint ein Rückgang der Auftragseingänge im Jahr 2020 als unvermeidlich. Selbst ein Einbruch der Bestellungen wie in der Finanzkrise 2009 kann nicht ausgeschlossen werden. „Der Großanlagenbau reagiert agil und flexibel auf diese herausfordernde Situation. Die Mitglieder unseres Verbandes stellen damit sicher, das wichtige Funktionen wie etwa die Beschaffungs- und Baustellenorganisationen und das Engineering im Sinne der Kunden arbeitsfähig bleiben“, versichert AGAB-Sprecher Nowicki.

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