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Branche 30. Juni 2022

Lieferketten des Maschinenbaus weiter stark angespannt

Die Produktion und die Lieferfähigkeit des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland werden immer stärker durch Materialengpässe und Fachkräftemangel behindert.
„Vier von fünf der befragten Unternehmen, die Maßnahmen initiieren oder bereits umgesetzt haben, erweitern gezielt ihr Lieferantennetzwerk“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers.
„Vier von fünf der befragten Unternehmen, die Maßnahmen initiieren oder bereits umgesetzt haben, erweitern gezielt ihr Lieferantennetzwerk“, sagt VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers.

Die Produktion und die Lieferfähigkeit des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland werden immer stärker durch Materialengpässe und Fachkräftemangel behindert.

Laut einer Blitzumfrage des Branchenverbandes VDMA sehen 87 % der Unternehmen ihre Lieferketten derzeit „merklich oder gravierend beeinträchtigt“. Mehr als drei Viertel der Befragten nennen einen „merklichen oder gravierenden Mangel an Personal“.

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„Die Liste der negativen Einflussfaktoren auf die Versorgungssituation ist lang“

„Der Maschinenbau ist nicht nur mit seinen eigenen Produkten global präsent. Er greift auch auf ein weltweites Netz von Zulieferern zurück. Krieg in der Ukraine, Lockdowns in China, Staus in zentralen Umschlagplätzen mit deutlich verlängerten Abfertigungszeiten von Containern und Personalmangel bei der Auslieferung sowie in der eigenen Produktion – die Liste der negativen Einflussfaktoren auf die Versorgungssituation ist lang“, erläutert VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers.

Im Vergleich zur vorangegangenen Erhebung hat sich die Lage nochmals verschärft, und die Hoffnung auf baldige Besserung schwindet. Im April meldeten bereits 79 %, also fast acht von zehn der Befragten aus dem Maschinen- und Anlagenbau, merkliche oder gravierende Knappheiten bei der Materialversorgung. Nun sind es sogar fast neun von zehn Firmen, wie aus der Blitzumfrage hervorgeht.

Ähnlich verhält es sich mit den Aussichten. Mit einer Entschärfung der Lage innerhalb der nächsten drei Monate rechnet kaum noch jemand. „Bei Elektronikkomponenten zeigen sich die Engpässe besonders hartnäckig. 44 % sehen eine bessere Versorgungslage hier erst ab dem zweiten Halbjahr 2023“, sagt Wiechers.

Versorgungssicherheit zunehmend im Fokus

Angesichts der Hartnäckigkeit der Zulieferprobleme hat schon mehr als jedes zweite Unternehmen seine Beschaffungsstrategie kritischer Rohstoffe verändert oder plant dies in absehbarer Zeit zu tun. „Insgesamt legen die Unternehmen einen stärkeren Fokus auf die Versorgungssicherheit. Dafür erweitern vier von fünf der befragten Unternehmen, die Maßnahmen initiieren oder bereits umgesetzt haben, gezielt ihr Lieferantennetzwerk. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen die erhöhte Lagerhaltung (77 %) und der Einsatz alternativer Materialien (58 %), wo immer dies möglich ist.

Auf die absehbare Verknappung der Gaslieferungen bereiten sich bereits fast ein Drittel der Unternehmen konkret vor. „Etwa drei Viertel der sich auf den Ernstfall vorbereitenden Unternehmen prüfen zunächst einmal, welche Möglichkeiten sie im eigenen Unternehmen haben, beispielsweise die Installation elektrischer oder ölbefeuerter Backup-Systeme. Etwa die Hälfte der Unternehmen sieht eine engere Abstimmung mit dem hauseigenen Netzbetreiber als adäquate Vorbereitungsmaßnahme an. Und ein Drittel hat gestaffelte Notfallpläne je nach Reduktionsgrad der Gaslieferungen mit den Lieferanten vorbereitet“, ergänzt Wiechers.

Fachkräfteengpässe spitzen sich zu

Auch die Fachkräfteengpässe haben sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. 78 % der Unternehmen haben einen „merklichen oder gravierenden Mangel an Personal“. Und lediglich 3 % der Unternehmen rechnen mit einer Entschärfung der Personalsituation in den nächsten drei Monaten. „60 % der Unternehmen sehen die Demografie und den Fachkräftemangel als großes Risiko an“, erläutert Wiechers. Damit wurde der Fachkräftemangel unter acht zentralen aktuellen Themen des Maschinenbaus als größtes Risiko eingestuft und sogar noch vor der Antwortkategorie „Inflation / restriktive Geldpolitik“ genannt.

„Um die vielen Facharbeiter, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, adäquat zu ersetzen, müssen junge Nachwuchskräfte eine attraktive Ausbildung im Maschinenbau und eine gute Perspektive geboten bekommen. Dies wird aber allein nicht ausreichend sein, um den Bedarf zu decken. Auch gezielte Zuwanderung wird notwendig sein, um die Arbeitskräftelücke zu reduzieren“, fordert Wiechers.

Als große Chance sehen dagegen viele Unternehmen die Digitalisierung und die Automatisierung sowie den Aufbau resilienter Lieferketten an. Hier kommt dem Maschinen- und Anlagenbau als weltweitem Ausrüster eine zentrale Rolle zu, der er sich proaktiv und optimistisch stellt.

Positiver Ausblick

Wie überhaupt das laufende Jahr trotz all der Belastungen für die meisten Betriebe ein Wachstumsjahr werden soll. 79 % der Unternehmen erwarten ein Umsatzwachstum, das aber auch durch die Inflation getrieben wird. Und auch der mittelfristige Blick in die Zukunft ist positiv: 82 % wollen ihre Investitionen im Vergleich zum Vorjahr steigern.

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