zum Hauptinhalt
Branche

Teure Rohstoffe bedrohen Schweizer Aluminium-Industrie

Verbände der Schweizer Aluminium-Industrie sehen die Existenz der Branchen-Unternhemen durch die stark gestiegenen Rohstoffpreise in Gefahr.
Die Teuerungen auf den Rohstoff- und Energiemärkten sind eine erhebliche Bedrohung für die Existenz der Schweizer Gießereien und der aluminiumverarbeitenden Industrie. Im Foto: Profilbearbeitung bei Alu Laufen.

Verbände der Schweizer Aluminium-Industrie sehen die Existenz der Branchen-Unternhemen durch die stark gestiegenen Rohstoffpreise in Gefahr.

Die aktuellen globalen Entwicklungen und Teuerungen auf den Rohstoff- und Energiemärkten und die damit verbundenen exorbitant steigenden Preise stellen eine erhebliche Bedrohung für den Fortbestand der Schweizer Giessereien und der aluminiumverarbeitenden Industrie dar. Die beiden Branchenverbände alu.ch und GVS legen gemeinsam Zahlen vor und mahnen, ohne sofortiges politisches Handeln stehen der wirtschaftliche Aufschwung und die Zukunft qualifizierter Industriearbeitskräfte auf dem Spiel.

Anzeige

Noch nie in der Geschichte der Nachkriegszeit sei man mit einem derartigen Preisanstieg bei praktisch allen relevanten Faktoren konfrontiert gewesen, oder dass einige Materialien unabhängig von ihrem Preis gar nicht mehr verfügbar sind. Die Preise für Grundstoffe wie Eisen- und Nichteisenmetalle, aber auch für Legierungselemente, wie Magnesium, Silizium, Kupfer, und Nickel steigen enorm an. Und auch die Energiekosten für Gas, Koks, Elektrizität und Öl gehen durch die Decke. Die Branchenverbände der Schweizer Giessereien und der aluminiumverarbeitenden Industrie sehen sich daher veranlasst, gemeinsam mit den europäischen Organisationen auf die sich verschärfende Situation aufmerksam zu machen.

Schweizer Aluminium-Industrie befürchtet Insolvenzwelle

Roland Hörzer, Präsident des Aluminium-Verbandes Schweiz (alu.ch).

„Die derzeitigen Entwicklungen stellen für viele unserer Mitgliedsunternehmen ein existenzielles Problem dar“, so Danilo Fiato, Präsident des Giesserei-Verbandes der Schweiz (GVS). Über alle Rohstoffe hinweg gesehen prognostizieren Analysten eine bis zu 30-prozentige Unterversorgung im 2022, die bereits ab kommenden Februar die ganze europäische Industrie bedrohe. „Wir erwarten bis zum Ende des zweiten Quartals 2022 weiterhin steigende Preise. Sollte beispielsweise die Magnesium-Lieferung komplett ausfallen, wird dies eine Insolvenzwelle nach sich ziehen“, skizziert Roland Hörzer, Präsident des Aluminium-Verbandes Schweiz (alu.ch), die drohenden Konsequenzen für die aluminiumverarbeitende Industrie, die rund 8.000 Arbeitsplätze umfasst.

Mangelware Magnesium

Der herrschende Magnesiummangel verdeutlicht die globale Rohstoffproblematik. Magnesium wird als wichtiges Legierungselement für Aluminium und Sphäroguss benötigt. Seit 2001 hat Europa seine eigene Magnesiumproduktion infolge des chinesischen Preisdumpings eingestellt. Mit einem 87-prozentigen Anteil an der Magnesiumproduktion hält China ein nahezu vollständiges Monopol auf die weltweite Herstellung des Rohstoffs. Vor einigen Wochen hat China bekanntlich erlassen, dass wichtige energieintensive Industrien ihre Produktion von September bis Dezember reduzieren oder einstellen müssen, um die staatlich vorgegeben Ziele zum geringeren Energieverbrauch und CO2-Austoss zu erfüllen. Das betrifft insbesondere die Magnesiumproduktion. In den weltweit wichtigsten Magnesium-Produktionszentren, den Provinzen Shaanxi und Shanxi, wurden mindestens 31 Magnesiumwerke entweder stillgelegt oder ihre Produktion um 50 % gesenkt.

Vorräte bis Ende November erschöpft, Wucherpreise

Die Schweiz ist mit den europäischen Ländern besonders stark von den Lieferengpässen betroffen, da die chinesischen Ausfuhren rund 95 % des Magnesiumbedarfs in Europa decken. Die starke Verknappung von Magnesium führt bereits zu Rekordpreisen, erzeugt weltweite Verzerrungen am Markt und löst enorme Störungen in der Lieferkette aus. Die heute noch verbleibenden Magnesiumimporte werden zu Höchstprieisen von etwa 10.000 bis 14.000 USD je Tonne gehandelt, gegenüber etwa 2.000 USD je t zu Beginn dieses Jahres, so dass es für europäische Unternehmen fast unmöglich ist, magnesiumhaltige Werkstoffe auf einem rentablen Niveau herzustellen oder zu beziehen.

Es wird erwartet, dass die Magnesiumvorräte in Europa bis Ende November 2021 erschöpft sein werden. Bei einem Versorgungsengpass dieses Ausmasses drohen somit Produktionsausfälle in der Aluminium- sowie in der Gießereiindustrie. Wie eine Umfrage der Verbände bei ihren Mitgliedsunternehmen ergab, kletterten auch die Transportkosten für Rohmaterial durchschnittlich von 40 auf über 300 USD pro Tonne Magnesium.

Energie- und Rohstoffpreise klettern unaufhaltsam

Alarmierend sind auch die Signale aus dem Energiesektor. Die Schweizer und europäischen Gießereien wie auch die Aluminiumindustrie unterstützen die Umstellung auf erneuerbare Energien, sind aber auf Rohstoffe und verlässliche Preise sowie auf verfügbare Energie zu wettbewerbsfähigen Kosten angewiesen. Der größte Teil an Energie wird z.B. in Gießereien beim Schmelzen und bei der Wärmebehandlung benötigt, um Komponenten wie medizinische Geräte, Rohre, Pumpen oder Windturbinen herzustellen. „Die Energiepreise haben sich seit Jahresbeginn je nach Energiequelle mehr als verdreifacht und es ist aktuell kein Ende in Sicht. Vielmehr dreht die Preisspirale weiter nach oben“, schildert Danilo Fiato. Die Preisgültigkeit werde nicht mehr garantiert oder erst bei einer definitiven Bestellung aller Materialien, wobei der Besteller nicht genau wisse, was auf ihn zukommt, hält Roland Hörzer dazu fest. Auch diesbezüglich sprechen die Zahlen der Branchenverbände für sich: Beim Stromeinkauf für das 1. Quartal 2022 stiegen bei Mitgliedsunternehmen die variablen Kosten zum Teil von knapp 5 Rp/kWh auf fast 30 Rp/kWh. Beim Gas schnellte der variable Anteil von 15 CHF/MWh auf 70 CHF/MWh.

Kurzarbeit, trotz voller Auftragsbücher

Die steigenden Rohstoff- und Energiepreise, der Mangel an Material und Rohstoffen und die daraus entstandenen Lieferengpässe kumulieren sich zu einer verheerenden Kettenreaktion. „Geplante Produktionstermine verschieben sich, teilweise muss wiederum mit zusätzlichen Schichten der ‚Terminrückstand‘ aufgeholt werden“, schildert Hörzer. Da zudem in allen Anwendermärkten aus denselben coronabedingten Folgeerscheinungen die Lieferketten und Produktionen ins Stocken geraten sind, können bestellte Vorprodukte auch aus der Schweiz nicht mehr ausgeliefert werden, vielmehr werden sie von den Kunden abgeblockt. „Um den normalen Fertigungsbetrieb dennoch aufrecht erhalten zu können, wird solange weiterproduziert, bis die eigene Lagerkapazität restlos ausgeschöpft ist“, schildert Fiato. So sind zurzeit Mitgliedfirmen gezwungen, Kurzarbeit einzuführen, angesichts voller Auftragsbücher eine geradezu groteske Entwicklung. „Auf Lager zu produzieren, stellt nur eine kurzfristige Lösung dar, die zudem die Liquidität der Unternehmen extrem belastet“, so Fiato.

Die Präsidenten beider Branchenverbände bezweifeln, dass sich allein mit dem Instrument der Kurzarbeit die Situation entschärfen lässt. „Eine drohende Entlassungswelle und Insolvenzen in größerem Stil werden mittelfristig nur dann vermeidbar sein, wenn wir vor allem die höheren Kosten über einen Material- und Energieteuerungszuschlag den Kunden weiter verrechnen können. Darüber hinaus brauchen wir die Unterstützung der Politik, denn die Schweizer Metallindustrie ist mit ihrem Recycling zugleich auch ein wichtiger Marktteilnehmer für eine nachhaltige Zukunft der Schweiz. Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie brauchen wir eine industriefreundliche Politik, die Unternehmen beispielsweise durch eine Subvention der Energie- und Netzzugangskosten entlastet“, fasst es Fiato zusammen.

Passend zu diesem Artikel