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News 5. Dezember 2023

Die drei Dimensionen der Aluminiumproduktion

Interview mit Trimet-Vorstand Dr. Andreas Lützerath über die zukünftigen Herausforderungen bei Themen wie Demographie, Digitalisierung und Dekarbonisierung.

Trimet-Vorstand Dr. Andreas Lützerath (l.) im Gespräch mit Aluminium Praxis Chefredakteur Alwin Schmitt
Trimet-Vorstand Dr. Andreas Lützerath (l.) im Gespräch mit Aluminium Praxis Chefredakteur Alwin Schmitt

Die Trimet Aluminium SE mit Sitz in Essen ist der größte deutsche Aluminiumproduzent. Die Aluminiumhütten, Gießereien und Umschmelzwerke des Unternehmens produzieren jährlich mit rund 2.400 Mitarbeitern insgesamt etwa 765.000 Tonnen Aluminium an sieben Standorten in Europa. In Deutschland fertigt Trimet an den Standorten Essen, Voerde, Gelsenkirchen, Hamburg und Harzgerode. Seit Ende 2013 verfügt Trimet zusätzlich über zwei Fertigungen in Frankreich. Hinzu kommen zwei Handelsbüros in Berlin und Turin. 

Trimet-Vorstand Dr. Andreas Lützerath sprach mit Aluminium Praxis Chefredakteur Alwin Schmitt über die derzeitige Lage am Metallmarkt und über die zukünftigen Herausforderungen bei Themen wie Demographie, Digitalisierung und Dekarbonisierung.

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Trimet-Vorstand Dr. Andreas Lützerath (Foto: Trimet)

 

APR: Herr Dr. Lützerath, der Aluminiummarkt ist im Abwärtstrend. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktsituation ein?

Andreas Lützerath: Die konjunkturelle Lage ist derzeit wenig erfreulich, wir befinden uns in einer Rezession. Die Produktion der deutschen Aluminiumhütten ist schon länger rückläufig, und im weiterverarbeitenden Aluminium-Halbzeugsektor zeichnet sich für dieses Jahr ein deutliches Minus ab. Die Abrufe und Aufträge aus den wichtigen Abnehmermärkten Automotive und Verpackung sind rückläufig, der Bausektor ist noch stärker getroffen. Wir erwarten ein schwieriges erstes Halbjahr 2024 mit einer weiterhin schwachen Aluminiumkonjunktur. Die internationalen Krisen und die hohen und volatilen Energiepreise machen sich deutlich bemerkbar. Zur im zweiten Halbjahr 2024 stattfinden Aluminium-Messe könnte sich die Lage verbessern, vielleicht ist dann eine gewisse Aufbruchstimmung zu verspüren. Wir sind auf jeden Fall darauf vorbereitet, die Hüttenproduktion wieder hochzufahren.

Nachfrage nach Aluminium steigt weiter

APR: Wie entwickelt sich der Recyclingsektor?

Andreas Lützerath: Zurzeit seitwärts, das ist aber auch angesichts der rezessiven Lage nicht verwunderlich. Die Aussichten sind aber positiv. Besonders im Hinblick auf die Dekarbonisierung werden in Europa und weltweit immer mehr Recyclingkapazitäten aufgebaut. Dennoch werden wir mit Recycling allein den zukünftigen Bedarf nicht decken können. Bis 2040 wird die Nachfrage nach Aluminium stark ansteigen, nach Prognosen des International Aluminium Institute auf rund 150 Millionen Tonnen jährlich. Deshalb werden wir hier in Europa weiterhin Primärmaterial brauchen. 

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Trimet Aluminium hat mit Metrics ein neues Prozessleitsystem zur Steuerung der Elektrolyseöfen in den Aluminiumhütten entwickelt. (Foto: Trimet)

APR: Zum Jahresende wird Speira die Produktion von Hüttenaluminium einstellen, Trimet ist der einzig verbleibende Primärproduzent in Deutschland.

Andreas Lützerath: Das wird so sein, und es ist keine Entwicklung, die wir begrüßen. Wir werden dann der letzte deutsche Produzent von Hüttenaluminium sein und verlieren mit Speira einen Mitstreiter. Das ist bedauerlich, da der Bedarf an Aluminium weiter steigt, insbesondere die E-Mobilität und die Energiewende treiben die Nachfrage. 

Gute Standortpolitik ist die beste Industriepolitik

APR: Die Aluminiumproduktion ist energieintensiv, die Weiterverarbeitung und das Recycling brauchen ebenfalls viel Energie. Was sind Ihre Forderungen an die Politik?

Andreas Lützerath: Es galt schon immer: Eine gute Standortpolitik ist die beste Industriepolitik. Wir brauchen für unsere industrielle Produktion Rohstoffe wie Magnesium, Kupfer oder Aluminium, das ja auch kürzlich von der EU auf die Liste der strategischen Rohstoffe gesetzt wurde. Deshalb gehören Rohstoff- und Energiepolitik zusammen. Wenn man bestimmte Abhängigkeiten vermeiden möchte und weiterhin in der EU produzieren will, muss man natürlich auch die Rahmenbedingungen schaffen und eine Energiepolitik betreiben, die dazu passt. Die Energiepreise sind für alle Betriebe zu hoch und für höchst energieintensive Unternehmen längst nicht mehr wettbewerbsfähig. Ein Industrie- oder Brückenstrompreis könnte helfen, dabei kommt es aber auf die Ausgestaltung und bestimmte Bedingungen an. 

APR: Wie kann sich ein Familienunternehmen wie Trimet im zunehmend härteren Kampf der großen international tätigen Konzerne behaupten?

Andreas Lützerath: Zunächst einmal sind wir als Familienunternehmen finanziell unabhängig vom Kapitalmarkt. Für uns ist es wichtig, die Freiheit des Händlers zu bewahren, denn sie ist für uns als Mittelständler ein Garant unserer Selbständigkeit. Zudem können wir unseren Kunden kurze Lieferwege, schnelle Reaktionszeiten und eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Forschung & Entwicklung anbieten. Das ist die Basis einer partnerschaftlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit. 

APR: Die Trimet-Herausforderungen für die Zukunft haben Sie mit den 3Ds formuliert. Könnten Sie diese bitte erläutern?

Andreas Lützerath: Es hat immer konjunkturelle Aufs und Abs gegeben. Auch wenn die Stimmung derzeit schlecht ist, geht es irgendwann wieder aufwärts, und wir müssen uns mit den drängenden Zukunftsthemen beschäftigen. Die heißen Demographie, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Das sind Themen, die zusammenhängen und die zukünftige Entwicklung unseres Unternehmens bestimmen werden.

Frühzeitig den Fachkräftemangel bekämpfen

APR: Der demographische Wandel macht die Suche nach neuen und qualifizierten Mitarbeitern schwieriger. Mit welchen Maßnahmen reagiert Trimet darauf?

Andreas Lützerath: Der Fachkräftemangel, insbesondere in den technischen Berufen, betrifft uns unmittelbar und ist eine gesellschaftliche Herausforderung. In Zukunft brauchen wir mehr junge Leute, die wieder Lust auf Technik haben und sich für die technische Ausbildung und technische Studiengänge interessieren.

Für uns ist es wichtig, frühzeitig zu erkennen, welche Berufsgruppen vom Fachkräftemangel besonders betroffen sind. Nur so können wir passende Maßnahmen ergreifen. Darum ist die Ausbildung zukünftiger Mitarbeiter eine unsere wichtigsten Aufgaben. Wir haben insbesondere in der Produktion spezialisierte Berufe, die wir auf dem freien Markt kaum finden. Unsere Auszubildenden übernehmen wir zu fast 100 Prozent. Dazu investieren wir natürlich auch in die Weiterbildung unserer MitarbeiterInnen und haben ein Programm zur Führungskräfte-Entwicklung aufgelegt. In fünf Modulen vermitteln wir dort alle TeilnehmerInnnen – von den VorabeiterInnen bis zu den AbteilungsleiterInnen – identische Inhalte und unser Grundverständnis von Führung.

Zudem führen wir mit unserer Trimet-Akademie junge Talente an höhere Aufgaben heran. Zwei Drittel der Teilnehmenden haben nach Abschluss des dreijährigen Programms bereits einen Karriereschritt gemacht. Das zeigt, welche Aufstiegsmöglichkeiten in mittelständischen Unternehmen möglich sind. Und es ist ein Aha-Effekt für die anderen Mitarbeiter, die sehen, welche Möglichkeiten das Unternehmen für das eigene Fortkommen bietet. Zudem entstehen innerbetriebliche Netzwerke an allen Standorten, die die Trimet-Philosophie kennen und leben.

APR: Wie steht es mit den Bewerbungen auf einen Ausbildungsplatz bei Trimet. Gibt es da noch genug?

Andreas Lützerath: Es wird schwieriger, es kommt auf den Standort an und den Arbeitsmarkt vor Ort. In Hamburg konkurrieren wir mit Airbus, in Essen haben wir eine hohe Reputation, und es ist deshalb leichter, geeignete Azubis zu finden. Insgesamt ist das Leistungsniveau der BewerberInnen gesunken. Nach Bedarf schalten wir daher eine einjährige Einstiegsqualifikation vor die Ausbildung, um die BewerberInnen fit für die Ausbildung zu machen und Defizite aus dem schulischen Bereich auszugleichen. Diese Möglichkeit wird gerne wahrgenommen und ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Ausbildung bei uns.

Digitalisierung ist Chance und Herausforderung

APR: Die Digitalisierung, Ihr zweites D, schreitet rasant voran und verändert die Anforderungsprofile von Berufen zum Teil grundlegend. Wie reagieren Sie bei Trimet darauf?

Andreas Lützerath: Gerade mit dem Blick auf die demographische Entwicklung ist die Digitalisierung und Automatisierung eine große Chance, aber auch gesellschaftlich eine große Herausforderung. Wir als Unternehmen müssen unsere Prozesse darauf untersuchen, wie wir komplexe Geschäftsprozesse effizient gestalten können und digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Um greifbar zu machen, was das für uns heißt, einige Beispiele: Trimet entwickelt ein autonomes Anoden-Transportsystem, mit dem wir CO2 einsparen und Transporte in Echtzeit überwachen; gegossene Rundbolzen werden komplett automatisiert auf ihre Qualität geprüft und gemessen. Hier geht es nicht um den Ersatz eines Mitarbeiters, sondern die Digitalisierung hilft uns, unsere Prozesse zu verbessern. Auch hier gilt: Je mehr Daten wir erfassen, um so besser müssen die MitarbeiterInnen ausgebildet sein, um die Prozesse zu verstehen.

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Die Aluminiumhütten, Gießereien und Umschmelzwerke von Trimet produzieren jährlich insgesamt etwa 765.000 t Aluminium. (Foto: Trimet)

APR: Welche neuen digitalen Geschäftsmodelle hat Trimet entwickelt?

Andreas Lützerath: Wir haben ein neues Prozessleitsystem zur Steuerung der Elektrolyseöfen in den Aluminiumhütten entwickelt. Damit kann die Elektrolyse besser auf Schwankungen im Stromnetz reagieren, denn das System ist an ein Prognoseprogramm angeschlossen, das Prozessparameter vorhersagt. Das Steuerungs- und Kontrollsystem „Metrics“ ersetzt künftig die verschiedenen Leitsysteme an den Standorten Essen, Hamburg, Voerde und Saint-Jean-de-Maurienne. Damit schaffen wir einen unternehmensweit einheitlichen Standard auf höchstem Niveau, der auf die Transformation zur klimaneutralen Aluminiumproduktion ausgerichtet ist. Mit „Metrics“  bewältigen wir gleich mehrere Herausforderungen, die uns die Aluminiumproduktion der Zukunft stellt. Wir unterstützen damit die flexible Steuerung des Elektrolyseprozesses zur Anpassung an eine schwankende Stromversorgung, und wir schaffen die Voraussetzung für die CO2-freie Erzeugung von Aluminium. 

Industrieproduktion muss in Europa bleiben

APR: Womit wir bei dritten D wären, der Dekarbonisierung. Diese stellt für Trimet wohl die größte Herausforderung.

Andreas Lützerath: Die Ziele sind von der Politik gesetzt. In der EU wollen wir 2050 CO2-frei sein, in Deutschland bereits 2045. Zunächst einmal ist wichtig, dass hier in Europa produziert wird, und zwar nicht nur Aluminium, sondern auch andere energieintensive Produkte. Wenn wir Emissionen nur global verschieben, schützen wir unser Klima nicht. Dabei ist das Recycling ein wichtiger Schritt hin zu einer klimaneutralen Produktion. Aluminiumschrotte zählen zu den wirtschaftlich wertvollsten Sekundärrohstoffen. Ihre Rückgewinnung und Wiederverwertung schont Ressourcen und leistet einen wichtigen Beitrag, den Anstieg an Treibhausgasen zu begrenzen. Der größtmögliche Einsatz von Schrotten bei der Bereitstellung von Aluminiumwerkstoffen ist deshalb ökologisch geboten und ökonomisch sinnvoll. 

APR: Neben dem Recycling versucht Trimet auch im Primärprozess energieeffizienter zu werden und Emission zu reduzieren. Wie weit sind Sie dort mit den technischen Entwicklungen?

Andreas Lützerath: Durch den Umbau der Stromerzeugung hin zu erneuerbaren Energien könnte ein Großteil der Emissionen der Aluminiumindustrie vermieden werden. Allerdings gibt es weitere Emissionen, die aus dem chemischen Prozess selbst stammen. Die weltweite Aluminiumindustrie forscht seit langem an der inerten Anode, wir sind auch an einem europäischen Forschungsprojekt beteiligt. Würden für die Anoden statt Kohlenstoff inerte Materialien verwendet, die im Prozess nicht reagieren und somit nicht verbraucht werden, könnten sowohl CO2- als auch PFC-Emissionen vermieden werden. Inerte Anoden müssten nur einmal hergestellt werden und wären dann über längere Zeiträume einsetzbar. Kohlenstoff-Anoden hingegen müssen regelmäßig ersetzt werden, da sie sich verbrauchen.

Eine weitere Möglichkeit wäre es, die CO2-Emissionen abzufangen und unterirdisch einzulagern, also mit Carbon Capture and Storage (CCS) zu arbeiten. Hieran forschen wir im Verbund mit unseren französischen Kollegen.

Bekenntnis zum Standort Essen

APR: Gibt es weitere Effizienzprojekte an denen Trimet arbeitet?

Andreas Lützerath: Ja, wir investieren in regionale Projekte wie die Nutzung von CO2-freier Prozesswärme. Trimet macht dabei die industrielle Abwärme seiner Aluminiumhütte für das Fernwärmenetz verfügbar und hat dazu einen Liefervertrag über 20 Jahre abgeschlossen. Das ist auch ein Bekenntnis zum Standort und zur Hütte in Essen.

Und beim Zukunftsthema Wasserstoff engagieren wir uns auch. Unser Recyclingwerk in Gelsenkirchen wird wasserstoffreiches Energiegas aus der Kokerei von Arcelor Mittal in Bottrop beziehen, um damit die Prozesswärme für Schmelzöfen zu erzeugen. Das bei der Koksherstellung entstehende Kokereigas enthält mehr als 60 Prozent Wasserstoff und setzt damit als Brennstoff deutlich weniger CO2-Emissionen als fossiles Erdgas frei.

APR: Welche Unterstützung erhalten Sie bei diesen Projekten von politischer Seite?

Andreas Lützerath: Bei allen unseren Investitionen sind verlässliche politische Rahmenbedingungen Voraussetzung. In Nordrhein-Westfalen haben wir von der Landespolitik immer sehr gute Unterstützung erfahren, zuletzt durch die Carbon Management Strategie NRW. Das Grundklima in NRW ist industriefreundlich, alle im Landtag vertretenen demokratischen Parteien wissen, wie wichtig eine moderne Industriepolitik für die Entwicklung des Landes ist, und sie wissen, dass man die Industrie erhalten muss. 

APR: Herr Dr. Lützerath, vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview ist erschienen in der Kick off Ausgabe der Aluminium Praxis zur ALUMINIUM 2024.

deutsche Version:

https://epaper.aluminium-journal.de/html5/sAoxUn6EtX/PS2DlscCN8kjF/1

englische Version:

https://epaper.aluminium-journal.de/html5/sAoxUn6EtX/lLr5REz4rCRge/1

 

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